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"TT on demand" vs. "Im Verein ist TT am schönsten"

Klassisches Vereinstraining oder 'Tischtennis on demand' - verändert sich unser Trainingsverhalten grundlegend?

myTischtennis Geschäftsführer, Jochen Lang

 

Die Tendenz ist deutlich erkennbar. So wie viele Leute einen bestimmten Film lieber zu einem selbst gewählten Zeitpunkt bei einem Streamingdienst im Internet anschauen, als gezwungenermaßen um 20:15 Uhr den Fernseher einzuschalten, so möchten viele auch ihren Sport genau dann ausführen, wann sie es möchten. Was diese Tendenz für den Tischtennissport und das Vereinsleben bedeutet, überlegt myTischtennis.de-Geschäftsführer Jochen Lang in seinem Blog.

Ich kann mich noch gut an meine Anfänge im TT-Vereinssport erinnern. Immer, wenn ich einmal in der Woche mit meinem Vater zum TT-Training fuhr, bekam ich nachmittags einen Anruf von meinem Lieblingstrainingspartner. Er fragte, ob wir „nach dem ersten Wechsel“ spielen würden. Der damalige Hintergrund: Obwohl in der sehr großen Halle 16 oder mehr TT-Tische Platz finden konnten, waren diese stets komplett belegt, so dass die Regel eingeführt wurde, dass es festgelegte Zeiten für den dann auch stets laut ausgerufenen „Wechsel“ gab. Dies bedeutete nichts anderes, als dass zunächst jeder Spielende seinen Platz räumen musste, um den auf der Bank Wartenden eine Möglichkeit zum Spielen zu geben. Heutzutage berichtet mir mein Vater leider teilweise, dass er manchmal unverrichteter Dinge vom Training wieder nach Hause fährt, weil trotz längerer Wartezeit kein auch nur ansatzweise adäquater Trainingspartner in der Halle war oder sich einzelne Trainingspaare lediglich für das gemeinsame Match verabredet hatten, anschließend im besten Fall noch ihren Tisch abbauen und sich in die Umkleide verabschieden.

Wunsch nach „Tischtennis on demand“ steigt

Dies ist sicherlich kein Problem dieses speziellen Vereins, ganz im Gegenteil, er ist immer noch gut aufgestellt. Dieses Phänomen beobachte ich in verschiedenen Vereinen und auch an mir selbst. Die Zeit hat es mit sich gebracht, dass der Wunsch nach „Tischtennis on demand“ gestiegen ist. Man möchte sich nicht mehr an Tage und Uhrzeiten binden, an denen die Halle zur Verfügung steht, sondern möchte dann Tischtennis spielen, wenn es einem selbst in den persönlichen Spaß- und Terminkalender passt. Im Grunde ist es exakt so, wie man z.B. sein Fitness-Studio nutzt oder seinen individuellen Squash- oder Badmintonplatz mit seinem Partner bucht. Man tut dies sicherlich auch teilweise regelmäßig oder hat gewisse zeitliche Rituale, aber man orientiert sich an seinen sonstigen beruflichen oder familiären Verpflichtungen und bastelt sich den individuellen Zeitplan zusammen. In besonders krasser Form gilt dies heutzutage für die Jüngsten unter uns, die schon lange nicht mehr den Fernseher zu bestimmten festen Zeiten einschalten, sondern sich ihr individuelles Programm über Netflix, die Mediathek oder andere online-Kanäle zusammenstellen bzw. abrufen.

Diese Entwicklung, die einhergeht mit den nachweisbaren Zahlen, dass ein/e TT-Spieler/in nicht mehr die gleiche Anzahl Mannschaftsspiele in einer Saison macht wie früher (weil auch hier der sonstige Verpflichtungskalender teilweise Vorrang hat), ist ein weiteres großes Problem unserer Sportart und deren Mitgliederentwicklung - was aber sicher auch für andere Sportarten gilt.

Vereine mit eigenen Räumen weniger betroffen

Beispiele für Vereine, die von den oben angesprochenen Problemen aktuell nicht betroffen sind, gibt es sicherlich bei über 9000 TT-Vereinen in Deutschland einige, die Gründe dafür sind gegebenenfalls teilweise sehr individuell, wie z.B. der eine extrem engagierte Ehrenamtler, Trainer/Trainerin, ohne den der „ganze Laden“ schnell in sich zusammenfallen würde. Zu beobachten ist, dass Vereine, die über eine eigene Halle/Räumlichkeiten (eigener Sozialraum in einer kommunalen Halle z.B.) etwas weniger von „TT on demand“ betroffen sind, weil dort das Motto „Im (TT-)Verein ist Sport am schönsten“ noch einfacher zu leben ist und man flexiblere Möglichkeiten hat, das gemeinsame Vereinsgefühl durch das Getränk danach, die Kartenrunde, die Weihnachtsfeier etc. zu stärken. Leider ist es nur wenigen Vereinen vergönnt, eine eigene Halle zu besitzen bzw. eine Halle oder zusätzliche Räumlichkeiten in eigener Verwaltung zu haben. Ganz unabhängig von einerseits fehlenden finanziellen Möglichkeiten fehlt es vielen Vereinen schlicht auch an Personen, die derartige Räumlichkeiten halbwegs „betreuen“ können.

Das ist einem weiteren Phänomen geschuldet, was zumindest für den deutschen TT-Durchschnittsverein gilt. Er ist schlichtweg zu klein. Wenn man sich die Zahl der aktiven TT-Spieler in Deutschland ansieht, diejenigen, die regelmäßig am Spielbetrieb teilnehmen, dann besteht ein Verein durchschnittlich aus knapp über 30 Personen. Selbstverständlich hat ein Verein mehr Mitglieder, aber aus meiner Erfahrung rekrutieren sich die aktiven Personen im Training und im sonstigen Aufgabenbereich im Verein in erster Linie aus den Aktiven. Dass die Aktiven dann natürlich auch höchst unterschiedlich „aktiv“ sind, kann jeder in seinem eigenen Verein ablesen.

Was tun?

In meinen Augen sind derart kleine Einheiten dauerhaft nicht in der Lage, zu überleben. Ein Ansatz zur Belebung von Vereinsleben, volleren Trainingshallen, einem echten Trainingsbetrieb etc. sollten Fusionen sein. Neben der Tatsache, dass man so über mehr TT-Spieler verfügt, hat man gegebenenfalls auf diese Weise auch etwas mehr finanzielle Flexibilität, um vielleicht nicht direkt eine eigene Halle zu bauen (schon klar), aber zumindest die eine oder andere Ausgabe zu tätigen, die man allein nicht stemmen kann (Vereinsfahrt, qualifiziertes Training etc.), die aber das Vereinsleben beflügeln kann.

Vielleicht kommt man jedoch eher zu dem Schluss, dass die oben beschriebene Entwicklung ohnehin nicht bzw. extrem schwierig aufzuhalten ist. Für diesen Fall sehe ich den parallelen Ansatz, darüber nachzudenken, Tischtennis in Multisportzentren unterzubringen. Wenn es vernünftige Bedingungen gibt (einige Beispiele dafür gibt es bereits in Deutschland), könnten diejenigen, die aus welchen Gründen auch immer nicht mehr wie früher zum Training ihres Vereins können/möchten, ihrem Hobby eventuell flexibler treu bleiben. Gleichzeitig kann Tischtennis so zusätzlich einem grundsätzlich sportbegeisterten Publikum nähergebracht bzw. angeboten werden. 

Wenn man die Durchführung von Turnieren nicht mehr an einen Verein/Kreis/Bezirk etc. als Ausrichter koppeln würde, könnte eventuell auch speziell die in letzter Zeit extrem gewachsene Zahl der diversen Turnierserien dort durchgeführt werden. Das würde gleichzeitig auch die Motivation derartiger Multisportanlagen erhöhen, für vernünftige Bedingungen (Tische, Umrandungen, Platz etc.) zu sorgen. Leider wird dieser Ansatz in erster Linie in großen Städten zu verfolgen sein, da in ländlichen Gebieten relativ wenige Multisportanlagen vorzufinden sind. Aber es lohnt sich meines Erachtens, darüber nachzudenken.

(Jochen Lang)

 

Der Link zu myTischtennis.de

www.mytischtennis.de/public/blog/11840/jochens-blog---bdquo-tt-on-demand-ldquo--vs---bdquo-im-verein-ist-tt-am-schoensten-ldquo