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‚Mini-Athleten’: Bei Kleinkindern Begeisterung für Tischtennis wecken

Wie kann man Kinder frühzeitig, nachhaltig und ohne Drill für den Tischtennissport begeistern? Und welche Fähigkeiten müssen Trainer mitbringen, die sich mit Kleinkindern beschäftigen? Passende Antworten hierauf scheint das "Mini-Athleten"-Projekt des Tischtennis-Verbands Niedersachsen (TTVN) zu geben. Das Projekt wurde vor zwei Jahren ins Leben gerufen und hat inzwischen auch international schon Nachahmer gefunden.

5,8 Jahre – das ist laut einer Studie der Stiftung Compass das Alter, in dem Profis im Durchschnitt mit Tischtennis beginnen. Häufig schon wesentlich älter sind Kinder und Jugendliche, die in Deutschland im Verein ihre ersten Bälle spielen – wenn sie das denn überhaupt tun. "Teilweise sind die Kinder dann schon in anderen Sportarten untergekommen", weiß die ehemalige Bundesligaspielerin Nina Tschimpke. Aus diesem Grund, und weil Sportprogramme im Kindergartenalter rar seien, hob die gelernte Ergotherapeutin vor zwei Jahren zusammen mit Oliver Stamler und Christiane Praedel im TTVN das Kindergartenprojekt 'Mini-Athleten' aus der Taufe. Schon vorher hatte es andere Kindergartenprojekte im Tischtennis gegeben, aber "nach diesen ist nicht viel passiert, es gab keinen Übergang in die Vereine", so Projektleiterin Tschimpke weiter.

Zwölf Einheiten im Kindergarten, im Anschluss geht's in die Halle

Anders der Ansatz beim ‚Mini-Athleten’-Training: Nach zwölf wöchentlichen Einheiten à 45 Minuten im Kindergarten geht es für interessierte Kinder im Vereinstraining in einer eigenen Gruppe weiter, in der noch einmal ein Jahr 'gesondert' trainiert wird und die Kinder im Idealfall danach weiter im Verein verbleiben. In den ersten drei Monaten steht in den 45-minütigen Einheiten im Kindergarten vor allem die Ballgewöhnung auf dem Programm, aufgeteilt ist jede Einheit in einen Aufbau- bzw. Aufwärmteil, einen 20-minütigen motorischen Teil und einen 15-minütigen Teil zum Abschluss, bei dem der Schläger zum Einsatz kommt. Immer zielt eine Einheit laut Tschimpke auf ein bestimmtes kindgerechtes Thema ab, das in Geschichten verpackt wird. Die Palette an Übungen reicht vom Spielen mit Luftballons bis zum Schlagen von Bällen in einen bestimmten Bereich. In einer Einheit z.B. soll ein Hai 'gefüttert' werden, die Bälle dienen als Futter. "Natürlich kann man den Schwierigkeitsgrad der Einheiten an die Kinder anpassen. Wenn ich merke: Der eine oder andere schafft es, Luftballons schon viele Male hochzuhalten, dann wird zu richtigen Bällen gegriffen. Wichtig ist, dass keiner über- oder unterfordert ist", erklärt die 34-Jährige.

Am Ende der drei Monate erhalten alle Kinder das Abzeichen als Mini-Athlet, ein Geschenk und eine Urkunde. Im daran anknüpfenden einjährigen Trainingsteil ist auch weiterhin die allgemeine Motorik ein wichtiger Bestandteil des Trainings, eine halbe Stunde pro Einheit soll sich dieser gewidmet werden, ehe zum Tischtennisspielen übergegangen wird. "Nach einem Jahr sollte es dann das Ziel sein, dass die Kinder einen Vorhandkonter, Rückhandkonter und Rollaufschlag spielen können, mit sechs oder sieben Jahren können sie im Anschluss am 'herkömmlichen' Jugendtraining im Verein teilnehmen", so Tschimpke.

Im Durchschnitt ca. zwei Drittel der Kinder hätten bei ihr in Hannover nach dem ersten Projektteil im Kindergarten den Weg ins 'gesonderte' Mini-Training in den Hallen gefunden, berichtet die 34-Jährige. Eine Quote, die sich sehen lassen kann und aufgrund derer man sich entschied, im TTVN eine ‚Mini-Athleten’-Trainerausbildung anzubieten. Diese bestehe aus zwei Tagesveranstaltungen mit je einem Modul und einem anschließenden Praxisteil in den Kindergärten und sei gut angenommen worden. 

Jobmann: "Immer schwieriger, Talente zu finden"

Als Erster hat vor wenigen Tagen Marian Jobmann diese Ausbildung abgeschlossen. Als Landesstützpunkttrainer des TTVN weiß auch er: "Talente zu finden, wird immer schwieriger. Als ich über Oliver Stamler vom Projekt gehört hatte, war ich sofort überzeugt." Die Arbeit mit Kindergartenkindern sei für den angehenden Lehrer neu gewesen, im Stützpunkt habe er es seit vier Jahren mit Kindern im Alter von sieben bis 18 Jahren zu tun gehabt.

Für den praktischen Teil der Ausbildung bekommen die Teilnehmer – so auch Jobmann – von Nina Tschimpke sämtliche Ordner mit bebilderten Übungen für die zwölf Trainingseinheiten im Kindergarten gestellt, es muss also nichts selbst erarbeitet werden. Im Zuge der Ausbildung sollen allerdings zwei Einheiten reflektiert und eine 'Lehrprobe' durchgeführt werden, bei der Tschimpke selbst vor Ort ist.

Jobmann suchte sich einen Kindergarten unweit von Hundsmühlen in der Nähe von Oldenburg, in dem er seinen Praxisteil erfolgreich abhielt. U.a. durch Aushänge kamen nach den drei Monaten im Kindergarten nicht nur zwei Drittel der Gruppe, sondern sogar noch mehr zum wöchentlichen Training in die Halle des Hundsmühler TV. "Das Projekt ist richtig gut eingeschlagen", berichtet der 25-Jährige, "ich sehe riesiges Potential darin. Die Anzahl der Kinder, die man in der Halle wiedersieht, übertrifft im Verhältnis auch die von Maßnahmen wie den mini-Meisterschaften."

Nachahmer in Schweden

In seinem Fall finanzierte ihm der Verein die Stunden, die er im Kindergarten verbrachte, aber auch ehrenamtlich hätte er bei der Sache mitgemacht. Interessierten Vereinen rate er, durchaus mal ihr Glück bei Stiftungen zu versuchen. Ein einmaliges Projekt in nur einem Kindergarten soll es für Jobmann im Übrigen nicht gewesen sein. Er überlegt sich, noch einen zweiten Kindergarten mit ins Boot zu holen. "Das mini-Athleten-Projekt ist die optimale Maßnahme, um Nachwuchs zu gewinnen", lautet sein Fazit.

Weit über Niedersachsen hinaus hat das Projekt inzwischen sogar Schlagzeilen gemacht. So haben andere deutsche Verbände bereits angefragt – und selbst in Schweden war Nina Tschimpke schon für einen Vortrag, infolgedessen der aus der Champions League bekannte Klub Eslöv Al eine ähnliche Initiative begann. Mit den Skandinaviern wolle man sich demnächst über den Erfolg austauschen.

 

Autor: Daniel Koch, Quelle: "myTischtennis.de"