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Jans Blog: Welche Aussagekraft hat die neue Weltrangliste?

Im Januar 2018 trat das neue Berechungssystem der Weltrangliste in Kraft und Dimitrij Ovtcharov nahm im Ranking zum ersten Mal die Spitzenposition ein – als erst zweiter Deutscher überhaupt nach Timo Boll. Zwei Monate später löste ihn eben dieser an der Spitze ab. Neben den guten Leistungen der beiden Deutschen war dafür auch das neue Weltranglistensystem verantwortlich, das Jan Lüke in seinem Blog unter die Lupe nimmt.

Am 3. Januar 2018 hat Dimitrij Ovtcharov eines seiner Hobbys verloren. Ovtcharov ist nicht nur einer der besten Tischtennisspieler der Welt. Er galt auch seit Jahren als derjenige, der die Weltranglistenberechnung der ITTF versteht wie kaum ein Zweiter. Wann es wo Siege gegen welchen Spieler braucht, um wie viele Plätze gut zu machen – Ovtcharov hatte das stets auf dem Radar. Nicht selten sollen sich andere Profis beim viermaligen Olympiamedaillengewinner danach erkundigt haben, welche Platzierung das undurchsichtige Gebilde der Weltrangliste im nächsten Monat für sie auswerfen würde. Damit ist jetzt Schluss. Die ITTF hat Ovtcharov sein Spielzeug weggenommen, sie hat zum neuen Jahr die Weltranglistenberechnung umgestellt. Die Rangliste ist fortan simpler und nachvollziehbarer. Ovtcharov wird aber auch ohne sein Hobby gut leben können. Im ersten Monat des neuen Rankings war der Deutsche dessen größter Profiteur: Denn ohne die Umstellung der Weltrangliste wäre trotz Ovtcharovs herausragender Ergebnisse Ma Long die Nummer eins geblieben, der nach dem Boykott der China Open und einer Handgelenksverletzung nur wenige Wettkämpfe absolvierte.

Zwei wesentliche Änderungen im Vergleich zum alten System

Zwei Änderungen sind wesentlich, wie die ITTF in ihren ab dem 1. Januar 2018 geltenden World Ranking Regulations vorstellte: Zum einen werden Punkte nur noch für die Platzierungen bei Turnieren vergeben, nicht mehr für Siege oder Niederlagen gegen bestimmte Spieler und ihr jeweiliges Ranking. Unterschiede bestehen nur noch in der Wertigkeit der Turniere. Gibt es für den Gewinn der Weltmeisterschaft etwa 3000 Punkte, erhält man für den Gewinn des World Cups 2550 Punkte und den einer kontinentalen Meisterschaft wie der EM 1800 Punkte. Damit bekommt Tischtennis eine unverkennbare Ähnlichkeit zum großen Bruder Tennis, wo schon seit Jahren nach Turnierkategorien und erreichter Runde gewertet wird. Zum anderen werden nur die besten acht Turnierplatzierungen der vergangenen zwölf Monate berücksichtigt. Alles darüber hinaus wird zu Streichergebnissen – egal, wie gut oder schlecht sie waren.

Was sie dazu bewogen hat, die Weltranglistenberechnung zu verändern, beschrieb die ITTF frei heraus als das, was es ist: ein Marketing-Tool. „Eine genauere Messung und ein Ranking, das auf aktuellen Leistungen basiert, führen zu einer gesteigerten Popularität und einem weltweiten Profil der Spieler. Es erhöht den Wert unserer Großveranstaltungen und steigert die Popularität und globale Reichweite von Tischtennis“, sagt der Weltverband in seinem Erklärvideo.

Wenn man diskutieren will, ob die ITTF eine glückliche Entscheidung mit der Novellierung getroffen hat, geht es letztlich um den Begriff der „genaueren Messung“. Um zu wissen, wann eine Messung genau oder ungenau ist, muss man wissen, was man überhaupt messen will. Eine Weltrangliste soll dabei abbilden, wer zum Zeitpunkt ihres Erscheinens die besten Spielerinnen und Spieler der Welt sind. Die Nummer fünf soll statistisch besser sein als die Nummer 13 – und die Nummer 13 besser als Nummer 33.

Sportliche, aber keine finanzielle Aufwertung der Turniere

An dem Punkt setzt die breite Kritik am neuen System an. Das neue Weltranglistensystem begünstigt Spieler, die viele Turniere spielen. Demgegenüber kam das bisherige System aber eben auch denen zugute, die weniger Turniere gespielt haben. Seine besten Spieler oft auf die World Tour zu holen, ist zunächst eine sinnvolle Überlegung der ITTF. Der Druck auf die Spieler, viele Turniere der World Tour wahrzunehmen, wird steigen. Für die Spieler ist ihre Weltranglistenposition eine Visitenkarte – auch um in Verhandlungen mit Vereinen zu gehen. Vor dem Hintergrund, dass gerade für Spieler außerhalb der Topränge die ITTF-Turnierserien mangels ausreichender Preisgelder ein schlechtes oder gar ein Zuschussgeschäft sind, wird die Änderung auf Kosten der Aktiven gehen – im wahrsten Sinne des Wortes. Statt die Wettbewerbe auch finanziell aufzuwerten, und das gerade auch in den frühen Runden, nutzt die ITTF zu stark die Weltrangliste, um die Wertigkeit ihrer Turniere zu steigern. Richtigerweise sollte beides miteinander einhergehen.

Auch wird die Weltrangliste durch den kurzen Berechnungszeitraum fragiler und abwechslungsreicher. Ob es Profis gibt, die besser oder schlechter sind als ihre Resultate in den letzten zwölf Monaten, ist ein höchst subjektives Empfinden. Tatsächlich aber sind die aktuellsten Ergebnisse die mit der größten Aussagekraft. Eine Verzerrung wird sich jedoch dadurch einstellen, alle Kontinentalwettkämpfe gleichwertig zu behandeln. Die Asienmeisterschaft etwa hat sportlich eine höhere Wertigkeit als die Europameisterschaft, die wiederum steht über der Afrikameisterschaft. Hier allerdings einen sinnvollen Schlüssel zu finden, der Saison für Saison eine faire Gewichtung gewährleistet, ist nahezu unmöglich. Zumal die Turniere keine offene Teilnahme ermöglichen.

Man wird die Weltrangliste künftig stärker als eine Weltjahresbestenliste verstehen müssen. Dimitrij Ovtcharov mag im Januar sicherlich nicht der beste Spieler der Welt gewesen sein. Aber er war im vergangenen Jahr der erfolgreichste Akteur auf der World Tour - und ist auch wieder ein großes Stück näher herangerückt an die besten Spieler der Welt.

Autor: Jan Lüke, Quelle: mytischtennis

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