Zum Hauptinhalt springen

111 GRÜNDE TISCHTENNIS ZU LIEBEN von Jan Lüke

Die TTVR-Schmunzelecke:Grund 6: Weil aus der Kreisliga über Nacht auch mal die Bundesliga werden kann

Grund 6: Weil aus der Kreisliga über Nacht auch mal die Bundesliga werden kann

Es sah alles nach einem ziemlich gewöhnlichen Bundesliga-Match aus, als es im Januar 2008 zum Aufeinandertreffen zwischen dem deutschen Serienmeister Borussia Düsseldorf und Müller Würzburger Hofbräu kam. Die favorisierten Düsseldorfer um Timo Boll waren nach den Doppeln zu Beginn nicht unerwartet 2:0 in Führung gegangen und hatten gleich Fahrt aufgenommen Richtung Gesamtsieg. Was sich dann allerdings vor den Augen der Düsseldorfer Mannschaft und den 700 Zuschauern abspielte, sollte in die Bundesliga-Geschichte eingehen: Die Würzburger Spieler packten in aller Ruhe ihre Taschen, schritten dann gruß- und kommentarlos aus der Halle. Wichtige Anmerkung: ohne an diesem Tag noch einmal aufzukreuzen. Stattdessen traten in den anschließenden Einzeln vier Spieler für das Gäste-Team an die Tische, die ansonsten in den Kreisklassen-Mannschaften der Würzburger aufschlugen. Ein Versehen war das natürlich keines. Sondern genau das Gegenteil: kühle Berechnung. Herrschte zunächst unter den Anwesenden, zumindest unter denen, die in der Halle verblieben waren, Irritation und Unklarheit, änderte sich das, als sich der Verein Müller Würzburg später zu den Vorfällen erklärte - und die Einzelaufstellung "als Protestnote gegen die, nach unserer Bewertung, außergewöhnlich skandalösen Vorgänge im letztjährigen Rückspiel des ETTU-Pokalfinales in Düsseldorf" interpretierte. Was war einige Monate vorher an selber Stelle also passiert, dass die Würzburger eine derartige Maßnahme für nötig hielten? Im Finale des ETTU-Pokals, gewissermaßen der Europa League des Tischtennis, waren dem Würzburger Spieler Leung im Einzel gegen den Borussia-Mann Petr Korbel "nach massiver Intervention durch Düsseldorfer Spieler und Offiziellen", so das Statement der Würzburger dazu, Aufschläge vom Schiedsrichter abgezählt und als Punkte für Korbel gewertet worden. Das kann zwar bisweilen äußerst ärgerlich für einen Aktiven sein, weil die Schiedsrichter-Entscheidungen nicht selten fragwürdig oder gar falsch sind, ist im Spitzentischtennis allerdings mitnichten unüblich. Für die Würzburger aber war die Sache klar: Für die Niederlage verantwortlich waren einige handelnde Personen von Borussia Düsseldorf, allerdings nicht im sportlichen Sinne, sowie ein manipulierbarer Schiedsrichter, mitnichten aber die eigenen Spieler. "Diese Vorgänge führten zum Verlust des zu diesem Zeitpunkt praktisch sichereren ETTU-Pokaltitels", ließ der Verein verlauten. Sonstige Gründe? Gab es aus Vereinssicht scheinbar keine nennenswerten.

Eng verbunden war die Protestaktion, wie ohnehin alles im Verein Müller Würzburg, mit dem Namen seines Mäzens: Frank Müller - Er, nicht der Verein, der natürlich in Immobilien macht, wie sich das für eine Art von Geldgeber gehört, war mit seiner Immobilienunternehmung  Hauptsponsor des Klubs - und scheute sich nicht, sich auch mal selbst zu Einsätzen zu verhelfen, in denen der alles andere als austrainierte Materialspieler Müller (nicht mehr als ein Hobbyspieler) zumeist auf die Mütze bekam. Zwar eine der umstrittensten Figuren im deutschen Tischtennis, verhalf er mit seinem Investment und Engagement dem Verein allerdings zu ansehlichen Erfolgen. So würde Würzburg 2005 unter anderem Deutscher Meister mit der Mannschaft. Und Würzburg war eben im April 2007 ins Endspiel des zweitbedeutendsten internationalen Mannschaftswettbewerbs gekommen, an dessen Ende Frank Müller sich mit dem Satz verabschiedete: "Ich werde nie wieder mit einer Mannschaft, die meinen Namen trägt oder von mir gesponsert wird, in Düsseldorf antreten." Es war der Vorbote des Eklats, den er nicht einmal ein Jahr später in die Tat umsetzen wollte. Und dementsprechend übte Müller Würzburg, angeführt von einem exzentrischen Spieler-Manager und Geldgeber, sich im Zuge seiner subjektiv wahrgenommenen Benachteiligung in Selbstjustiz und Kleinkind-Logik - und sorgte für den vielleicht größten Skandal der Geschichte der Tischtennis-Bundesliga. Als Gewinner dieser Aktion aber waren mitnichten die im Anschluss arg gescholtenen Würzburger herausgegangen, erst recht nicht als sportliche. Sie verloren in Person ihrer Kreisklassen-Spieler von zwölf gespielten Sätzen in den folgenden Einzeln an diesem Tag ganze fünf mit 0:11 Punkten. Während der etatmäßige Kader im Übrigen, so ließ Müller später verkünden, sich aufmachte in sein hauseigenes Schwimmbad. Wer hat, der kann.

Was wäre bloß passiert, wenn einer wie Müller in der englischen Fußball-Nationalmannschaft gestanden hätte, die 1966 bei der Weltmeisterschaft gegen Deutschland das Wembley-Tor kassierte? Es wäre wohl das letzte Fußball-Länderspiel zwischen beiden Nationen geblieben.

Verlag: Schwarzkopf-Schwarzkopf, ISBN: 978-3-86265-559-5
www.schwarzkopf-schwarzkopf.de

 

Personal/Hintergrund

Klaus Eli wird 75

Wir gratulieren ganz herzlich zu diesem Ehrentag!