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111 GRÜNDE TISCHTENNIS ZU LIEBEN von Jan Lüke

Die TTVR-Schmunzelecke:Grund 60: Weil Clickball das neue Darts ist

Grund 60: Weil Clickball das neue Darts ist

Der Alexandra Palace, den die Engländer beinahe liebevoll nur ihren Ally Pally nennen, hat sich einen prächtigen Ruf erarbeitet. Einmal im Jahr, immer zur ansonsten eher sportarmen Zeit über Weihnachten und dem Jahreswechsel, trifft sich dort, auf einem Hügel im Londoner Norden, die Weltelite im Darts. Die kürt im Ally Pally ihren Weltmeister. Darts ist - oder man muss sagen: war - eine Randsportart par excellence. Eigentlich war Darts sogar nur ein Kneipenspiel. Diese Tage aber sind längst gezählt. Dem Ally Pally sei Dank. Die WM im Darts fristet kein Nischendasein mehr, sie ist auch dem Status eines Geheimtipps auf der Sportlandkarte oder gar einem Liebhaberevent längst meilenweit entrückt. Die Darts-WM ist mittlerweile Mainstream, ein weltweites Medienereignis, angekommen auf dem Top-Level in Sachen Sportevents. Spieler wie Phil Taylor, Adrian Lewis oder Raymond von Barneveld sind zu viel Ruhm und nicht weniger viel Geld gekommen. Und all das hat der Ally Pally möglich gemacht.

Nun ist es allerdings nicht so, dass der Alexandra Palace für alle verbleibenden Wochen des Jahres, wenn keine Dartpfeile durch das Rund fliegt, leer steht. Ganz im Gegenteil. Gleich, nachdem der letzte Pfeil das Brett getroffen und der letzte angesäuselte Zuschauer aus der Arena begleitet wurde, geht es ganz ähnlich weiter. Nur werden die Darts jetzt durch einen Tischtennisball ersetzt. Noch im Januar startet die World Championship of Ping Pong (WCPP). Der Eindruck mag beim ersten Lesen täuschten, aber dabei handelt es sich nicht um die offiziellen Tischtennis-Weltmeisterschaften. Vielmehr wird bei der World Championship of Ping Pong, die im deutschen Sprachraum einfach Clickball-WM genannt wird, eine abgewandelte Tischtennis-Version gespielt, die wiederum dem vor allem auf den Philippinen sehr populären Liha-Tischtennis nahekommt. Das Besondere beim Clickball: Alle Spieler gehen mit einheitlichen Schlägern vom Veranstalter an die Tische, bei denen das Schlägerbrett auf beiden Seiten nur mit einer gleichfarbigen dünnen Schicht von feinem Sandpapier belegt ist. Eigene Schläger sind nicht zugelassen. Die Sandpapier-Oberfläche erlaubt es den Spielern kaum, den Ball mit Rotation zu versetzen. Gespielt wird jeder Satz bis 15, danach werden die Schläger gewechselt. Mehr Chancengleichheit geht nicht! Höhepunkt in den WCPP-Regeln: der double point. Jeder Athlet hat einmal pro Spiel, bei eigenem Aufschlag und vor dem 13. Punkt eines Satzes, die Möglichkeit, einen Ballwechsel anzumelden, der für ihn doppelt zählt, für den Gegner allerdings nur einfach. Gerade in diesen Momenten tobt im Ally Pally der Mob, denn anders als beim Tischtennis geht es beim Clickball nicht gerade ruhig und beschaulich zu. Die Atmosphäre im Ally Pally ist nicht anders, als man sie beim Vorbild Darts erlebt: Es herrscht Volksfeststimmung! Der Master of Ceremony ruft die beiden Spieler wie Gladiatoren unter Licht- und Laserbestrahlung zum Duell in die Arena, die komplett mit Kameras von Sky Sports UK ausstaffiert ist. Dann kann die Show beginnen!

2011 wurde die World Championship of Ping Pong, für die ein Preisgeld von stolzen 100.000 Dollar ausgelobt wird, erstmals ausgetragen, damals noch im Palms Casino Resort in Las Vegas. Seit 2013 hat die Veranstaltung ihr festes Zuhause im Ally Pally - und blüht seither auf. Die bisherigen Clickball-Weltmeisterschaften wurden zwar von ehemaligen Tischtennis-Profis dominiert, allen voran von Mr. Clickball, dem Russen Maxim Shmyrev, der drei Weltmeistertitel in Folge einstrich (2011, 2013, 2014). Dennoch bildet sich immer stärker eine eigene Szene heraus: 2013 wurde in Erfurt erstmals der Deutsche Clickball-Cup ausgespielt, der als deutsche Meisterschaften durchgeht und über den die deutschen Starter im Ally Pally ermittelt werden. Mittlerweile gibt es regionale Quali-Turniere für den Deutschen Clickball-Cup, der mehr und mehr zu einem eigenen Event wird. Eigentlich haben aber schon dort alle Starter nur eines vor ihren geistigen Augen: den Centre Court im legendären Ally Pally.

Verlag: Schwarzkopf-Schwarzkopf, ISBN: 978-3-86265-559-5
www.schwarzkopf-schwarzkopf.de